Jahreslosung 2024
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
1. Korinther 16,14
Liebe Lesende, liebe Freund:innen, liebe Geschwister im Glauben!
Briefe zu schreiben, Briefe zu lesen, Liebesbriefe sogar, ist nicht leicht. Denn Worte wirken. Manchmal schwer. Und nicht immer so, wie sie gemeint sind. Beim Schreiben wie beim Lesen ist darum Bedacht angebracht. Was kommt hier zum Ausdruck? Eine Beziehung wird auf diese Weise gestaltet, schreibend, lesend, mit Worten. Je besser man einander kennt, um so eher gelingt es, den Ton zu finden, der mitschwingt, zwischen den Zeilen.
Wir haben die Briefe vor uns, die Paulus an die christliche Gemeinde in Korinth schrieb. Eine persönliche Beziehung haben wir weder zu den Menschen, die hier angeschrieben wurden, noch zum Verfasser. Uns trennen fast zweitausend Jahre. Ein wenig wissen wir über sie. Über die Korinther. Über Paulus. Vieles ist unklar, eine Vermutung. Eine einzigartige Beziehungsgeschichte ist mit den Zeilen verknüpft, die wir als Brieftext kennen. Sie schwingt mit.
Paulus war eine Autorität, im Judentum zunächst – wie im Christentum später. Er war ein Gigant des Geistes. Darum hatte er Autorität. Nicht allen passte das. Natürlich hatte er auch Gegner und Feinde. Auch in Korinth. Die Gemeinde war durch ihn gegründet worden. Seine Verkündigung des Evangeliums von Jesus als dem Christus, dem Messias, Retter und Heiland, hatte Glauben hervorgerufen, an Jesus als den Sohn Gottes. Gott ist Liebe. Dort, wo Güte und Liebe wohnen, da wohnt Gott. So hatte er es gepredigt. In diesem Geist waren die Menschen in Korinth zum christlichen Glauben gekommen.
Als Prediger und Lehrer hatten sie ihn kennengelernt, als Bruder und Freund, als „Vater im Glauben“, als „Amme“, die ihnen geistliche Nahrung zum Trinken gab, als „Gärtner“, der ihren Glauben gepflanzt hatte, als „weisen Baumeister“, der den Grund gelegt hatte, auf dem das Haus ihres Glaubens nun erbaut werden und der Güte und Liebe Gottes Wohnung geben sollte. So gestaltete sich ihre Beziehung, so war ihre Grundmelodie. Insofern passte es, dass Paulus sie mit seinen Zeilen darauf einstimmte, sich um die Glaubensbildung und die Weiterentwicklung zu kümmern, ihnen Gestalt zu geben.
Diese Einwilligung, sich orientieren zu lassen, auch, sich belehren zu lassen, lässt den fast zweitausend Jahre alten Brief an die christliche Gemeinde in Korinth auch heute noch lebendig werden. Unsere Kultur ist eine andere, unser Glaube aber, an Jesus als den Messias, ist derselbe. Unsere Bereitschaft, ihm nachzufolgen, von ihm lernen zu wollen, wie wir leben können, ist ganz nahe bei den Menschen, die zur Zeit Jesu sich an ihm orientierten, ihm glaubten, an ihn glaubten. Vertrauen, ja, darum geht es. An die Liebe zu glauben, sie als Grund und Ziel des Lebens zu erkennen, sich darum zu mühen, dass sie wachsen und gedeihen kann … ist zeitlos gültig.
„Liebe zu üben“ bedeutet, als Liebende zu leben, die Liebe auszuüben. Es ist aber auch gemeint – und unser aller Erfahrung – Liebe lernen zu müssen, sie zu üben im Sinne der Einübung. Die ekstatische Liebe, der Moment, die statische Liebe, geformt und ritualisiert, haben beide ihren Platz im geistlichen Leben. Die Liebe zu erlernen ist eine Lebensaufgabe, das Scheitern ist dabei eine unvermeidliche punktuelle Erfahrung, immer wieder, die das generelle Ziel aber nicht infrage stellt. Wir üben zu lieben. „Küssen kann man nicht alleine“, singt Max Raabe. Recht hat er. Darum ist es gut, zu einer Gemeinde zu gehören, in der wir Liebe üben dürfen, in der wir lernen können, was Liebe alles bedeutet, wie reich sie ist, wie umfassend.
„Alles bei euch geschehe in Liebe“ meint wirklich – alles! Und alle. Dazu gehört immer wieder die Vergebung, die Umkehr, der neue Beginn. Der Anfang eines Jahres ist ein typischer Moment für eine solche Neubesinnung. Möglich und sinnvoll ist sie zu jeder Zeit.
Peter Jörgensen